Mein Gott – warum?
Ein kleiner Zellhaufen
Dank wissenschaftlicher Studien weiß ich, das 10-20 % aller Schwangerschaften in einer Fehlgeburt vor der 20. Schwangerschaftswoche enden – 80% dieser Fehlgeburten passieren in den ersten 12. Schwangerschaftswochen.
Meine erste Schwangerschaft endete völlig unvorbereitet in einer Missed Abortion, einer so genannten verhaltenen Fehlgeburt. Dies ist eine spezielle Form der Fehlgeburt und wurde bei meiner zweiten Ultraschall-Routineuntersuchung festgestellt. Hier endete das, was 9 Wochen vorher so hoffnungsvoll begann.
Mein Mann D und ich wünschen uns Kinder. Nach nur drei Monaten nach Absetzen der Pille hielt ich den ersten von sicherheitshalber fünf getätigten Schwangerschaftstests in der Hand. Erst verschwommen, dann immer deutlicher zu erkennen: Zwei wunderbar rosafarbene Striche. Ich war überglücklich, ich würde Mutter werden!
Wenige Tage später bestätigte mir die Ärztin meine erste Schwangerschaft. Sechste Woche, ich war fassungslos vor Freude. An Weihnachten wären die ersten so risikoreichen zwölf Wochen überstanden und wir könnten Familie und Freunden erzählen, dass wir bald Eltern wären. Sogar der ungefähre Entbindungstermin stand bereits fest. Ende Juni sollte es soweit sein. Über das erste, und einzige Ultraschallbild waren wir unglaublich stolz!
Die nächsten Wochen begleiteten mich Übelkeit und ein ganz neuer Appetit auf Salziges. D tat alles, um seiner Frühschwangeren Frau beizustehen. Liebevoll nannte ich das, was in mir heranwuchs „kleiner Zellhaufen“. Ich fühlte mich gesegnet und voller Freude auf das, was vor mir zu liegen schien.
Die Angst wird wahr
Natürlich begleitete mich seitdem ich wusste dass ich Mutter werde die Sorge, ob denn alles komplikationslos verlaufen würde. Immer wieder hörte ich über die Jahre von Frauen und Fehlgeburten, doch ich betete dafür dass ich mein Kind behalten dürfe und glaubte, dass es auch so geschehen würde.
Voller Glück und Aufregung über das nächste Ultraschallbild, rückte der nächste Arzttermin näher. Doch es gab kein Bild. Nach langen schweigenden Momenten während der Untersuchung teilte mir die Ärztin mit, dass kein Herzschlag zu sehen sei. Ich dachte erst, ich hätte mich verhört. Alles was sie mir danach erzählte, rauschte vorbei.
Da es so aussah, als wäre unser Kind schon länger nicht mehr am Leben, empfahl sie mir einen schnellen Termin in einer Klinik zur Ausschabung. Bis heute fällt es mir unglaublich schwer, dieses Wort auszusprechen.
D war fassungslos. Wir verließen die Praxis schweigend, ich fühlte mich, als wäre die Welt stehen geblieben. Fünf Minuten vor Praxisschluss rief ich in der Klinik an – und bekam tatsächlich noch einen Termin zur Ausschabung am nächsten Morgen. Hier sollte noch einmal überprüft werden, ob unser kleiner Zellhaufen wirklich nicht mehr lebte. Irgendwie klammerten wir uns daran, beteten und wussten, Gott schaut nicht nur zu. Er tut auch heute noch Wunder.
An diesem Abend weinten wir so lange, bis wir einschliefen.
Das Wissen, der eigenen Mutter, den Freunden, all den Menschen die man liebt nicht mehr sagen zu können, das man Mutter wird, war so überwältigend schrecklich. Und das Gefühl, sein totes Kind in sich zu tragen, welches man niemals in diesem Leben ansehen wird, ist schwer zu beschreiben. Mein Herz tat weh, ich fühlte mich von Gott verlassen und dem Leben schutzlos ausgeliefert.
D sprach das letzte Gebet, bevor wir für eine lange Zeit nicht mehr beten konnten. Die letzte Untersuchung ergab, dass nichts auf Erden unser erstes Kind wiederbringen könnte. Auch die tröstenden Worte des Arztes fanden keinen Weg zu mir. Warum war Gott nicht bei mir in meiner Not? Sah er mich nicht?
Vom Weg – den ich vom Zimmer der Station zum Operationssaal ging – träume ich bis heute in unregelmäßigen Abständen. Schwestern und Ärzte waren wunderbar einfühlsam, doch ich war untröstlich. Dann ging alles sehr schnell. Die Ausschabung dauerte fünfzehn Minuten, nach dem Erwachen aus der Vollnarkose war ich keine werdende Mutter mehr. Diese Leere in mir war kaum greifbar.
Im Aufwachraum schrie ich innerlich zum ersten Mal: Mein Gott – warum?
D und ich verließen die Klinik Hand in Hand. Die körperlichen Schmerzen und die Blutungen waren das eine, der seelische Schmerz das andere. Wo war Gott? Ich konnte nicht mehr beten oder gar meine Augen heben zu Jesus, der mir gerade in diesen Momenten nicht von der Seite wich.
Die Wahrheit
Gott hatte mich nicht verlassen. Ich spürte nichts als Schmerz und hatte das Gefühl, verlassen zu sein, doch ich war es nicht.
Wenige Tage nach der Operation schenkte mir mein Vater im Himmel eine wunderbare Glaubensschwester, die mir folgende Stelle aus der Bibel vorlas:
Prediger 3, 1-8
Alles hat seine Zeit
Alles hat seine bestimmte Stunde, und jedes Vorhaben unter dem Himmel hat seine Zeit.
Geboren werden hat seine Zeit, und Sterben hat seine Zeit; Pflanzen hat seine Zeit, und das Gepflanzte ausreisen hat seine Zeit;
Töten hat seine Zeit, und Heilen hat seine Zeit; Zerstören hat seine Zeit, und Bauen hat seine Zeit;
Weinen hat seine Zeit, und Lachen hat seine Zeit; Klagen hat seine Zeit, und Tanzen hat seine Zeit;
Steine schleudern hat seine Zeit, und Steine sammeln hat seine Zeit; Umarmen hat seine Zeit, und sich der Umarmung enthalten hat auch seine Zeit;
Suchen hat seine Zeit, und Verlieren hat seine Zeit; Aufbewahren hat seine Zeit, und Wegwerfen hat seine Zeit;
Zerreissen hat seine Zeit, und Flicken hat seine Zeit; Schweigen hat seine Zeit, und Reden hat seine Zeit;
Lieben hat seine Zeit, und Hassen hat seine Zeit; Krieg hat seine Zeit, und Frieden hat seine Zeit.
Meine Zeit des Weinens und Trauerns hatte begonnen.
Ich war unfähig zu beten, doch vertraute Menschen beteten für mich. Mich quälte die Frage nach dem Warum – und Gott gab mir Antwort. Nicht sofort und nicht zu meiner Zeit, sondern als er es für richtig hielt.
Mehrere Wochen nach dem Ende der Schwangerschaft, las ich folgenden Bibeltext:
5. Mose 8, 3
Und er demütigte dich und ließ dich hungern …, um dich erkennen zu lassen, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt, sondern dass er von all dem lebt, was aus dem Mund des Herrn hervorgeht.
Gott selbst hat entschieden, mich dieser Demütigung der Fehlgeburt auszusetzen. Aber das tat er nicht, um mich zu zerstören, sondern um mir zu zeigen, dass ich nicht von weltlichen Dingen abhängig bin, sondern von ihm und was er mir zu sagen hat.
Gott macht keine Fehler. Gott geschehen Dinge nicht versehentlich. Es gibt nichts, was seiner Kontrolle entgleitet – auch nicht eine Fehlgeburt. Was Gott möchte, geschieht. Er hat einen Plan, auch aus einer Fehlgeburt kann er etwas Großartiges entstehen lassen. Und er kennt schon längst den Weg aus der Trauer – Jesus Christus.
Sei gesegnet, Debora
Liebe Debora, ich habe deine Zeilen gelesen und mich haben sie berührt. Es ist wahr alles hat seine Zeit und wir wissen nicht wofür Dinge geschehen und für was sie gut sind.
Ich denke an Euch und wünsche von Herzen alles alles Gute und viel Kraft
Hallo Elli,
da stimme ich dir zu. Wir wissen nicht wofür Dinge geschehen und für was sie gut sind. Aber Gott weiß es und das darf uns trösten. Danke für deinen Kommentar!
Liebe Grüße, Debora