Tabuthema und Möglichkeit zur Evangelisation

1. Januar 2019 1 Von Debora

Alles ist anders

Im vergangenem Jahr sprach ich so oft über Jesus wie nie zuvor. Ich kann nicht aufhören, über seine Liebe zu mir zu berichten. Darüber, was er für mich getan hat.

Es dauerte mehr als ein halbes Jahr, bis ich mich offen über unser verlorenes Kind unterhalten konnte. Der tiefe Schmerz musste erst vergehen, die Wunde zu heilen beginnen. Mein Glaube an Gott war erschüttert, mein Vertrauen in seine Souveränität mächtig angekratzt und die Zweifel an seiner Liebe zu mir riesig.

Es ist ein Geschenk, das ich heute sogar dankbar über das Erlebnis der kurzen Schwangerschaft sein kann. Gott hat sich auch dadurch so neu und so gewaltig in meinem Leben offenbart, wie ich es nie für möglich gehalten hätte.

Die Fehlgeburt stellte jedoch nicht nur den Glauben auf die Probe, sondern auch meine Ehe und den Umgang mit Familien- und Freundeskreisen.

Ich bin zutiefst dankbar, dass D und ich durch das Geschehene noch enger und noch vertrauter zusammen gewachsen sind. Allein durch Gottes Gnade gehen wir liebevoller miteinander um, beten mehr und preisen Gott für seine Treue. Das ist nicht selbstverständlich.

In anderen Beziehungen sorgte unser Umgang mit der Fehlgeburt oftmals für ratlose Gesichter und wenig Verständnis.

Schmerz auszuhalten, mit Weinenden zu weinen und in Situationen, in denen einfach nicht die richtigen Worte zu finden sind, stumm Hand in Hand zu sitzen – kostet Mühe und Kraft. Über die Ausschabung zu reden, ist bis heute eine Herausforderung für mich. Darüber zu sprechen und Gott im nächsten Atemzug zu nennen, ist eine Herausforderung für all diejenigen die es hören.

Natürlich ist eine Fehlgeburt etwas sehr Intimes. Ich verstehe jede Frau, die dieses Erlebnis für sich behalten möchte. Ich kann es aber auch nachvollziehen, wenn Frau über das Erlittene berichten möchte. Weil es ihren Alltag verändert hat, ihr Denken, ihr Sein. Weil es ihr Verhältnis zu Gott, zum Ehemann, zu Freunden verwandelt, vielleicht sogar korrigiert hat. Es gibt ein Davor und Danach, egal wie lange die Schwangerschaft andauerte und wie sie endete.

Um was es wirklich geht

Die meisten jungen Mütter lieben es, ihr Neugeborenes zu zeigen und häufig drehen sich die Gespräche um das Baby, welches ohne Zweifel ein Wunder ist. Mit einem Mal ist nichts mehr wie zuvor und die Situation anders als vorgestellt. Empathie und Einfühlungsvermögen machen es vorstellbar; Anteilnahme ist möglich, auch wenn es um Erfahrungen geht, welche noch nicht selbst erlebt wurden. Wir können mit Menschen mitfühlen, auch wenn wir das was sie durchmachen, noch nicht erlebt haben.

Bei einer Fehlgeburt ist es ähnlich – und doch anders. Auch wenn ich mich nur wenige Wochen mit dem Gedanken auseinander setzen konnte Mutter zu werden, entstand eine Veränderung. Anfangs war es für mich kaum möglich, besonders viel oder detailliert vom Erlebten zu sprechen. Irgendwann jedoch entstand das Bedürfnis, ganz viel und oft darüber zu reden. Mit D, Familie und Freunden.

Die Überforderung mit diesem schmerzhaften Thema überforderte auch mich. Eine Fehlgeburt ist ein Tabuthema. Wer spricht schon gerne über den Schmerz, ein Kind verloren zu haben? Darüber zu reden, ist schwierig. Gott darin zu sehen, ist eine Herausforderung. Und das Thema zu umgehen, macht Begegnungen verkrampft und unpersönlich.

Im Leid zu Jesus zu stehen, dankbar zu sein, festzuhalten an demjenigen, der das Leid sofort beenden könnte – beeindruckt. Und verschreckt. Viele unterschiedliche Beziehungen wurden aufreibender oder unterkühlter. Aber auch neue Kontakte entstanden, aus denen Freundschaften heranwuchsen.

Der Glaube an Jesus kann Unterhaltungen bereichern – oder trennen. Ich glaube daran, dass Gott Gespräche steuert, Beziehungen lenkt und Menschen zueinander führt.

Der Apostel Paulus schreibt:

1.Korinther 9,16
Denn wenn ich das Evangelium verkündige, so ist das kein Ruhm für mich; denn ich bin dazu verpflichtet, und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündigen würde.

Nichts macht mich besser vor Gott, als Jesus der für meine Sünde starb. Kein Werk, kein Erzählen vom Evangelium, macht mich gerechtfertigter. Und dennoch erzähle ich von Jesu Liebe, weil er mich zuerst geliebt hat:

Römer 5,8
Gott aber beweist seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.

Ich durfte Monate nach dem Verlust unseres ersten Kindes erkennen, dass Leid auch ein Geschenk ist. Und das gerade im Leid, Gottes Liebe sichtbar wird. Mein Vater im Himmel wusste um den Schmerz. Er führte mich, als ich den Weg nicht mehr erkennen konnte. Die Trauer die ein verlorenes Baby mit sich bringt, kann so schwer auf der Seele liegen, dass menschliche Worte nicht trösten können.

Das Kind, welches D und ich verloren haben, ist nicht nur Leid und Schmerz. Es ist auch eine Möglichkeit, das Evangelium weiter zu geben. Was für ein Segen, wenn wir durch Tränen aufs Kreuz sehen dürfen – und Mitmenschen dadurch auf Jesus hinweisen. Es ist nicht mein Werk, es ist Jesus der das bewirkt.

Auf die Frage, ob wir denn überhaupt noch Kinder möchten, hatte ich anfangs wenig Verständnis. Ich war sogar bestürzt darüber, wie so eine Annahme entstehen könnte. Dann entstand eine Nachvollziehbarkeit dafür. Das ich dankbar bin, für unser verlorenes Baby – ist nicht selbstverständlich. Es ist Gnade.

Ich wünsche mir Kinder, von ganzem Herzen sogar. Doch es geht nicht um mich, es geht um Gott. Es geht um seinen Plan. Es geht um seine Liebe. Er hat mich geschaffen, um ihn zu verherrlichen. Für alles was er mir gibt, darf ich dankbar sein und es zu seiner Ehre gebrauchen.

Sei gesegnet, Debora